OVG Berlin-Brandenburg: Kein Auskunftsanspruch
Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass eine Antragstellerin keinen Anspruch auf Auskunft über die Höhe des Honorars der Anwaltskanzlei hätte, die die Bundesregierung in zwei Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht vertreten hatte. Einem solchen Anspruch stehe das anwaltliche Berufsgeheimnis entgegen.
Sachverhalt
2011 war die Atomkraftgegnerin Cecile Lecomte in Gewahrsam genommen worden, um zu verhindern, dass sie gegen die Castor-Transporte protestiert. Sie legte zwei Beschwerden beim Bundesverfassungericht ein (und gewann: Die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichtes finden sich hier und hier) Im Verfahren vor dem Bundeverfassungsgericht ließ sich die Bundesregierung von einer Anwaltssozietät vertreten. Die Kanzlei rechnete auf Stundenbasis ab und stellte eine Rechnung über.
Nachdem sie die Verfassungsbeschwerden gewonnen hatte, wollte Lecomte wissen, wie hoch das Honorar war, das die Bundesregierung ihren Anwälten gezahlt hatte. Sie stellten daher einen Antrag auf Auskunft nach dem IFG.
Das Innenministerium verweigerte die gewünschte Auskunft und Leconte erhob Klage. Das Verwaltungsgericht gab ihr Recht (das Urteil findet sich hier) ; die Bundesregierung legte Berufung ein und das Oberverwaltungsgericht wies die Klage ab. Es war der Auffassung, der Anspruch auf Auskunft sei wegen des anwaltlichen Berufsgeheimnisses nicht gegeben.
Begründung des OVG
Gewünschte Auskunft ist Information im Sinne des IFG
Nach § 1 IFG hat grundsätzlich jeder Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Das Oberverwaltungsgericht ging davon aus, dass die gewünschte Auskunft zu den amtlichen Informationen gehöre. Allerdings gibt es, in denen der Anspruch auf Erteilung der gewünschten Information ausgeschlossen ist, weil besondere öffentliche Belange dem Zugang zu der Information entgegenstehen. Die Fälle sind geregelt in § 3 IFG. Nach einer der dort genannten Alternativen ist ein Anspruch auf Information ausgeschlossen, wenn die Information einem Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnis unterliegt.
Verschwiegenheitspflicht steht Auskunftsanspruch entgegen
Diese Vorschrift legte das OVG Berlin-Brandenburg seinem Urteil zugrunde. Es war der Auffassung, ein Anspruch auf Auskunft bestehe nicht, weil die Höhe des Anwaltshonorars unter die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht falle. Rechtsanwälte seien verpflichtet, Schweigen über Umstände zu bewahre, die ihnen im Rahmen des Mandatsverhältnisses bekannt geworden seien. Dazu gehöre nach der Rechtsprechung auch die Höhe des Honorars.
Der Kläger hatte eingewandt, der Rechtsanwalt sei zur Verschwiegenheit verpflichtet, nicht aber der Mandant. Der Mandant sei „Herr des Anwaltsgeheimnisses“, anders als der Rechtsanwalt sei er berechtigt, über Umstände zu sprechen, die das Mandatsverhältnis beträfen. Da die Bundesregierung als Mandantin das Recht habe, die Information weiterzugeben, könne das Berufsgeheimnis der Weitergabe auch nicht entgegenstehen.
Verschwiegenheitspflicht im allgemeinen Interesse
Das Oberverwaltungsgericht ließ dieses Argument nicht gelten. Das Berufsgeheimnis diene nicht nur dem Mandanten, sondern auch dem Anwalt. Gebe es nämlich die Pflicht zur Verschwiegenheit nicht, müsste ein Rechtsanwalt befürchten, dass Mandanten sich nicht frei fühlen würden, sich ihm anzuvertrauen und deshalb kein Mandat erteilen würden.
Darüber diene die Verschwiegenheitspflicht auch dem Interesse der Allgemeinheit an einer wirksamen und rechtsstaatlich geordneten Rechtspflege. Schon deshalb greife der Hinweis, die Bundesregierung sei Herrin des Geheimnisses nicht durch.
Interesse der Kanzlei an Geheimhaltung
Das gelte umso mehr, als die Anwaltskanzlei, um deren Honorar es ging, nicht ihr Einverständnis mit der Offenlegung des Honorars erteilt habe. Die Kanzlei habe geltend gemacht, dass das Bekanntwerden der Information geeignet sei, ihre Wettbewerbsposition zu schwächen. Ein Konkurrent könnte den Arbeitsaufwand der Kanzlei schätzen und so Rückschlüsse auf deren Stundensatz ziehen – um sie beim nächsten Mal unterbieten zu können.
Das Oberverwaltungsgericht setzte sich schließlich mit der Frage auseinander, ob § 3 Nr. 4 IFG einschränkend auszulegen sei, so dass die Bundesregierung sich nicht auf das Berufsgeheimnis der beauftragten Anwälte berufen könne. Was nach anderen Vorschriften geheim gehalten werden müsse, bleibe danach auch unter der Geltung des IFG geheim.
Das Oberverwaltungsgericht wies die Klage ab; es ließ die Revision nicht zu.
Einordnung
Das Urteil ist meines Erachtens nicht überzeugend. Wenn ein Mandant einen Anwalt beauftragt, ist der Rechtsanwalt zur verpflichtet. Er darf Informationen, die das Mandatsverhältnis betreffen, nicht preisgeben. Die Pflicht zur Verschwiegenheit umfasst auch die Höhe des Honorars.
Der Mandant unterliegt aber nicht der Verschwiegenheitspflicht. Ihm steht es frei, über Umstände, die mit seinem Fall zusammenhängen, zu sprechen. Das umfasst auch die Umstände die Höhe des Honorars. Wenn also keine Pflicht zur Verschwiegenheit den Mandanten daran hindert, über das gezahlte Honorar zu sprechen, kann die Verschwiegenheitspflicht auch einer rechtlichen Verpflichtung nicht, Auskunft über die Höhe des Honorars zu erteilen.
Das Oberverwaltungsgericht führt aus, was nach anderen Vorschriften geheim gehalten werden müsse, bleibe auch unter der Geltung des IFG geheim. Die Bundesregierung musste aber nicht nach anderen Vorschriften die Information über das Honorar geheim halten. Die Regel, dass nicht offenbart werden muss, was nach anderen Vorschriften geheim gehalten werden muss, soll Konflikte verhindern, die sich daraus ergeben könnten, dass unterschiedliche Gesetze von dem Betroffenen unterschiedliche Verhaltensweisen verlangen. Einen solchen Konflikt gibt es aber in diesem Falle nicht, weil die Bundesregierung durch die Verschwiegenheitspflicht nicht gebunden war.
Das Oberverwaltungsgericht macht geltend, die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht diene nicht nur dem Mandanten, sondern auch dem allgemeinen Interesse an einer geordneten Rechtspflege. Das ist sicher richtig. Aber das Interesse der Allgemeinheit besteht darin, dass Mandanten sich ihrem Anwalt anvertrauen können, ohne befürchten zu müssen, er werde Dritten gegenüber offenlegen, was sie ihm anvertraut haben. Das Interesse der Allgemeinheit besteht nicht darin, davor geschützt zu werden, dass Mandanten selbst nach gesetzlichen Vorschriften verpflichtet sein können, diese Informationen preiszugeben.
Auch hier geht es also letztlich um das Interesse des Mandanten, dass sein Anwalt Stillschweigen bewahrt, nicht um das Interesse des Anwalts daran, dass sein Mandant Stillschweigen bewahrt.
Umstände, die nach anderen Vorschriften geheim bleiben müssen, bleiben auch unter der Geltung des IFG geheim. Umstände, die nach dem IFG eigentlich offenbart werden müssen, werden aber nicht dadurch geheim, dass ein Anwalt sie nicht offenbaren muss.
OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21.02.2019, Az.: OVG 12 B 15.18